Presse
Künstlerpaar schickt "Visitor" ins
All
FRIEDRICHSHAFEN
(sz) Wenn Mitte des nächsten Jahres der deutsche
Radarsatellit TerraSAR-X zu seiner Mission ins Weltall startet, dann
trägt er einen "Visitor", einen Besucher, mit in die
Umlaufbahn um die Erde. Die Häfler Künstler Ragnhild Becker
und Gunar Seitz übergaben ihr Objekt nun an die Ingenieure von
EADS Astrium.
Die irdischen Visitors sind Gipsfiguren, die einzeln oder in Gruppen
die unterschiedlichsten Länder der Erde besuchen. Sie werden von
kunstinteressierten Menschen mitgenommen und in Städten oder in
besonderen Landschaften ausgesetzt. Wie, wo und wann die einzelnen
Figuren ausgesetzt werden, bestimmt jeder Aufsteller selbst. Die Figuren
können in Form und Farbe verändert werden; eigene Installationen
mit den Visitors sind möglich. Jeder Aufstellende gibt seine Figuren
frei. Das Weitergeben, das Loslassen vom kleinen Kunstobjekt ist Teil
des aktiven Prozesses. Die Objekte selbst haben keine Besitzer.
Bislang haben sich über 300 Menschen an der Aufstellung und ihrer
Dokumentation in Form von Fotos, Beschreibungen oder Zeichnungen beteiligt.
Bislang steht auf dem Chimborazo in 4800 Metern der höchst gelegene
und im Death Valley auf 86,5 Meter unter dem Meeresspiegel der tiefst
gelegene Visitor. Der südlichste Visitor steht am Kap in Südafrika.
Mit dem Start des TerraSAR-X-Satelliten wird dann erstmals ein Weltraumvisitor
in den erdnahen Orbit befördert. Und der Space-Besucher ist anders
als seine irdischen Kollegen, ja er muss sogar seine Weltraumtauglichkeit
in Tests beweisen. Der 15 Zentimeter große Besucher ist aus einer
raumtauglichen Aluminium-Speziallegierung hergestellt und mit einem
galvanischen Überzug versehen, an der Basis besitzt er ein quadratisches
Maß von sieben Zentimetern. Sein Gewicht beträgt rund 350
Gramm. Gegossen wurde er in einem Wachsausschmelzverfahren als Hohlform
bei Deutschlands größter Kunstgießerei Strassacker
in Süssen bei Göppingen.
Durch
die Ausweitung der Visitor-Aktion auf das All kommt die Globalität
dieses Kunstprozesses besonders zum Ausdruck. "Der Visitor wird
in seiner zeitlich begrenzten Existenz dem allgemeinen Dasein übereignet
und dem irdischen Kunstmarkt gänzlich entzogen", sagen die
beiden Künstler. Besondere Bedeutung komme der Aktion auch durch
die spezielle Mission von TerraSAR-X zu, indem jeder Punkt der Erde überflogen
wird und sich so Bezüge zur irdischen Aktion ergeben, die ja selbst
global sei. "Ein Fernziel der Aktion ist es, jeweils einen Visitor
am Nord- und Südpol während der Laufzeit der Mission zu platzieren.
Dadurch ergäbe sich ein System zwischen Weltraumvisitor und Erdvisitors
indem sie sich regelmäßig begegnen - wenn auch in erheblicher
Distanz", erläutern Ragnhild Becker und Gunar Seitz.
(Stand: 26.11.2005 SZON 00:16)